AWO Thüringen kritisiert Aussetzung des Familiennachzugs

"Was wir derzeit erleben, sind zerplatzte Hoffnungen"

Die AWO Thüringen zeigt sich tief besorgt über die bundesgesetzlich geregelte Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten, die am 24. Juli 2025 in Kraft trat. Damit verlieren viele Geflüchtete die Möglichkeit, ihre engsten Angehörigen legal nach Deutschland zu holen. Als Träger zahlreicher Beratungsangebote spürt die AWO bereits jetzt die direkten Folgen der Entscheidung.

„Was wir derzeit erleben, sind zerplatzte Hoffnungen. Die Betroffenen haben jahrelang alles getan, um ihre Familie wiederzusehen – und stehen jetzt vor einer verschlossenen Tür“, erklärt Katja Glybowskaja, Landesgeschäftsführerin des AWO Landesverbandes Thüringen. Viele Familiennachzugsverfahren, die mit großem Aufwand vorbereitet wurden, sind von einem Tag auf den anderen gestoppt – ohne Übergangsregelung, ohne Perspektive.

Ein Beispiel: Eine Mutter in Thüringen bereitete mit Unterstützung der AWO über zweieinhalb Jahre lang den Nachzug ihres zwölfjährigen Sohnes vor – inklusive geklärtem Sorgerecht und passender Wohnung. Der Visumsantrag stand kurz vor der Einreichung, als die neue Regelung in Kraft trat. „Wenn eine Mutter alles dafür tut, dass ihr Kind endlich zu ihr kommen darf, und dann eine neue Regelung plötzlich alles infrage stellt, ist das für unsere Klient*innen kaum zu fassen. Und für die Beratungsfachkräfte schwer auszuhalten“, so Glybowskaja.

In einem weiteren Fall bemüht sich ein Vater seit über zwei Jahren, seine weit entfernt lebende Familie nach Deutschland zu holen. Er unterstützte vor Ort bei der Registrierung, kämpfte mit Passproblemen und fehlenden Terminen. Als seine Ehefrau auf dem Weg nach Europa verhaftet wurde, brach der Kontakt zur Beratung ab – aus Überforderung und wachsender Hoffnungslosigkeit.

„Familiäre Nähe ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht – sie ist ein entscheidender Faktor für psychische Stabilität, gesellschaftliche Teilhabe und gelingende Integration“, erklärt Katja Glybowskaja. „Die AWO Thüringen appelliert deshalb eindringlich an die politischen Verantwortlichen, migrationspolitische Entscheidungen mit Weitsicht, Menschlichkeit und im Einklang mit rechtsstaatlichen und humanitären Grundsätzen zu treffen.“

Hintergrund:

Subsidiär Schutzberechtigte erhalten in Deutschland Schutz, wenn ihnen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht – etwa durch Krieg, Folter oder Todesstrafe. Sie gelten nicht als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention. Seit dem 24. Juli 2025 ist der Familiennachzug zu dieser Personengruppe auf Grundlage einer bundesgesetzlichen Regelung für zwei Jahre ausgesetzt (§ 104 Abs. 14, § 36a Aufenthaltsgesetz). Ausnahmen bestehen nur in Härtefällen nach §§ 22 und 23 Aufenthaltsgesetz. Die AWO setzt sich seit Jahren auf Landes- und Bundesebene für sichere, rechtsstaatliche und humane Rahmenbedingungen beim Familiennachzug ein.

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